Von Amelie Lübben und Wiebke Fecht  

Unsere Arbeitsstelle

Im Rahmen der Auricher Wissenschaftstage hatten wir beide die einzigartige Möglichkeit, mit einem Team aus renommierten Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts Berlin in den Süden Mexikos zu reisen.

Ziel der Exkursion war die Erforschung des Schwarmverhaltens einer besonderen Fischart, welche in schwefelhaltigen Flüssen der Kleinstadt Teapa im mexikanischen Staat Tabasco vorkommt. Im folgenden Bericht wollen wir unsere Erlebnisse mit euch teilen und euch auf unsere spannende Reise mitnehmen.  

Diese begann für uns am 15.05.2024, indem wir uns um 7:30 Uhr erstmals mit dem Forschungsteam, bestehend aus Prof. Dr. Jens Krause, Dr. David Bierbach, Dr. Yunus Sevinchan, Korbinian Pacher (Korbi), Carla Vollmoeller und Bianca Pacini, im Flughafen an unserem Gate trafen. Wir bemerkten sofort die familiäre und lockere Stimmung innerhalb der Gruppe und wurden sehr freundlich von allen begrüßt, weshalb wir uns augenblicklich wohl fühlten. 

Von Berlin aus flogen wir nach Paris, wo wir aufgrund des verspäteten Langstreckenfluges, der nun folgen sollte, einige Stunden Aufenthalt im Flughafen hatten. In Mexiko City angekommen machten wir uns am nächsten Morgen mit einem Taxi auf, um unsere Reise nach Villahermosa fortzusetzen. 

Dort kamen wir gegen 10:30 Uhr (örtliche Zeit) am Vormittag an. Anschließend mieteten wir uns zwei Autos, mit denen wir zuerst zur Universidad Juárez Autónoma de Tabasco fuhren, um das für die Forschungsarbeit benötigte Equipment für die nächsten zwei Wochen zu besorgen. Dort lernten wir auch Prof. Dr. Lenin Arias  Rodriguez, den Leiter der Universität, kennen. Während die anderen das Equipment zusammenpackten, sahen wir beide uns gemeinsam mit Jens das Universitätsgelände und die dort lebenden Tiere an. 

Neben zahlreichen Vogelarten begegneten wir auf dem Fußweg erstmals unserem geliebten Jesus Lizzard, einer Echsenart, die die Fähigkeit hat, über Gewässer zu laufen und der Korbi im Laufe der zwei Wochen liebevoll den Namen „Herrgottsechse” gab. Auch sichteten wir auf dem Universitätsgelände unser erstes Krokodil sowie einen schwarzen Leguan und weitere sehr interessante Tiere.

Die Autofahrt von Villahermosa nach Teapa dauerte ca. eineinhalb Stunden. Wir fuhren auf direktem Weg zu unserer Feldstation, wo wir für die nächsten zwei Wochen wohnen sollten.
Neben dem Gemeinschaftsraum bestand die Station aus einem großen Schlafsaal, zwei Bädern und einem Raum für unser Equipment. Nach dem ersten Einrichten fuhren wir mit dem gesamten Team zu unserer Arbeitsstelle für die darauffolgende Zeit, um von dieser schon einmal einen groben Einblick zu bekommen.

Dabei handelt es sich um einen schwefelhaltigen Fluss, der den sogenannten Schwefelmollys, den Poecilia sulphuraria, den Objekten unserer Forschung, einen Lebensraum bietet. Die Arbeitsstelle befand sich auf dem Gelände „Hacienda Los Azufres Aguas Termales” und wurde von unserer Arbeitsgruppe mit dem Begriff „Baños” versehen.

Jesus Lizzard

Abends gingen wir alle gemeinsam in die Stadt, um dort unsere ersten mexikanischen Tacos im „Taco Place“ zu essen. Dieses Restaurant war neben dem „Jacalito“ für die nächsten zwei Wochen unser Stammlokal, in dem wir jeden Abend essen gingen. 

Mit der tatsächlichen Forschung begannen wir dann einen Tag nach unserer Ankunft. Ein typischer Forschungstag startete mit einem kurzen Frühstück in der Station, dem Zusammenpacken unseres Equipments und einem Besuch bei dem Früchtestand unseres Vertrauens. Dort kauften wir jeden Morgen verschiedene Früchte, die wir für unser Lunch benötigten. Alles Nötige im Gepäck, machten wir uns auf den Weg zu unserer Arbeitsstelle, den Baños, wo wir einige unserer Versuche durchführten und gegen 12:30 Lunch aßen. Dieses bestand aus Tacos, die wir mit den zuvor gekauften Früchten sowie scharfer Sauce und einer Bohnenpaste füllten. Zurück im Feld ging es mit den Versuchen weiter, bis wir aufgrund der Hitze um ca. 16:00 Uhr die Baños verließen.

Doch welches Schwarmverhalten erforschten wir eigentlich genau? Und wie gingen wir dabei vor? 

Die Poecilia sulphuraria kommen in den besagten Schwefelflüssen in unzähligen Schwärmen vor und befinden sich tagsüber, bei niedrigem Sauerstoffgehalt des Wassers, an der Wasseroberfläche. Im Falle eines Vogelangriffs tauchen die betroffenen Fische zum Schutz vor dem Angreifer ab, wodurch an der Wasseroberfläche eine Art Welle entsteht, die als „Escape-Wave” bezeichnet wird. Je nach Stärke des Angriffs variiert die Anzahl der Waves. Bei wiederholten Wellen handelt es sich um sogenannte „Repeat-Waves“. 

Ziel unserer Forschung war die Überprüfung folgender Hypothesen: 

  1. Wenn ein Schwarm von einem Stimulus gereizt wird, den ein anderer nicht wahrnimmt, wird die Reaktion des einen Schwarms auf den anderen übertragen, sodass auch der     nicht betroffene Schwarm Waves produziert. 
  2. Die Stärke und Anzahl der Waves wächst zunächst proportional zur Größe und Schwere des vermeintlichen Angreifers. Ab einer bestimmten Größe und damit zusammenhängender Aufschlagsgeschwindigkeit auf dem Wasser, die der eines Raubvogels gleicht, findet eine plötzliche extreme Zunahme der Wellen, die von der zuvor gemessenen Proportionalität abweicht, statt. 
  3. Die Poecilia sulphuraria sind in der Lage zwischen einem bloßen Überflug und einer tatsächlichen Attacke zu unterschieden. Dementsprechend passen sie ihre Tauchtiefe an  die Aktion des Angreifers an. Bei der Kombination aus Überflug und Angriff ist daher eine verhältnismäßig starke Reaktion und Tauchtiefe der Fische zu erwarten.  

Um diese Hypothesen überprüfen zu können, hatten die anderen Teammitglieder bereits in Berlin passende Versuche entwickelt, die wir nun  in Mexiko durchführten. Dafür teilten wir uns in drei Teams auf: Team 1 (Jens Krause, Wiebke und Amelie), Team 2 (David und Korbi), Team 3 (Yunus,  Carla und Bianca).  

Wir beide beschäftigten uns, gemeinsam mit Jens Krause, mit der ersten Hypothese und führten somit den dazugehörigen Versuch durch. Dieser wurde allerdings erst spontan vor Ort entwickelt, weshalb wir zunächst einen Prototypen bauten. Die Idee des Versuches war es, einen Sichtschutz zu bauen, der es zwei separaten Schwärmen ermöglicht sich gegenseitig wahrzunehmen, nicht aber den Stimulus, der den jeweils anderen Schwarm reizt. Somit konnten wir überprüfen, ob der nicht stimulierte Schwarm auf das Wave-Verhalten  des stimulierten Schwarms reagiert, ohne den künstlichen Reiz selbst wahrgenommen zu haben.  

Dazu befestigten wir zunächst zwei Metallstangen an einem Brett und stellten das Konstrukt in einen der Schwärme hinein um diesen räumlich zu trennen und zwei separate Schwärme zu erhalten. Das Brett sollte den Sichtschutz bieten, wobei an diesem außerdem mit einem Scharnier auf einer Seite ein weiteres Brett befestigt war, das kontrolliert mit einem durchsichtigen Seil heruntergelassen werden konnte, um so die eine Hälfte des Schwarmes zu  reizen. Jedoch war der Sichtschutz anfangs noch nicht ausgereift, weshalb beim Herunterlassen des Bretts beide Schwärme gleichzeitig stimuliert wurden. 

Deshalb optimierten wir den Sichtschutz solange, bis wir zur endgültigen Version des Versuches gelangten. Dafür bauten wir aus Holzstäben und einem Duschvorhang einen Sichtschutz, welcher diesmal vom Ufer aus in den Fluss hineinragte. Auf der einen Seite des Vorhangs platzierten wir den Stimulus, der bei Aktivierung hochschnellte (siehe Bild links) und somit den Schwarm auf dieser Seite des Duschvorhangs stimulierte. Wir beobachteten zu verschiedenen Tageszeiten, ob die Reaktion der aktiv stimulierten Fische sich auf die Fische auf der anderen Seite des Duschvorhangs übertrug und diese das Wave-Verhalten adaptieren. Unsere Hypothese konnte bestätigt werden, da die Waves auch auf der anderen Seite des Duschvorhangs produziert wurden und es daher notwendigerweise eine Übertragung der Reaktion zwischen den separaten Schwärmen gegeben haben muss. 

Deshalb optimierten wir den Sichtschutz solange, bis wir zur endgültigen Version des Versuches gelangten. Dafür bauten wir aus Holzstäben und einem Duschvorhang einen Sichtschutz, welcher diesmal vom Ufer aus in den Fluss hineinragte. Auf der einen Seite des Vorhangs platzierten wir den Stimulus, der bei Aktivierung hochschnellte (siehe Bild links) und somit den Schwarm auf dieser Seite des Duschvorhangs stimulierte. Wir beobachteten zu verschiedenen Tageszeiten, ob die Reaktion der aktiv stimulierten Fische sich auf die Fische auf der anderen Seite des Duschvorhangs übertrug und diese das Wave-Verhalten adaptieren. Unsere Hypothese konnte bestätigt werden, da die Waves auch auf der anderen Seite des Duschvorhangs produziert wurden und es daher notwendigerweise eine Übertragung der Reaktion zwischen den separaten Schwärmen gegeben haben muss. 

Der Versuch zur zweiten Hypothese beinhaltete ausschließlich eine Angelschnur, die vom Ufer in den Fluss hineinragte, sowie Muttern unterschiedlicher Schwere und Größe. Die Muttern wurden jeweils auf die Angelschnur gefädelt und ins Wasser fallen gelassen. Sehr kleine und leichte Muttern lösten bei den Schwärmen keine Reaktionen aus. Ab einer bestimmten Größe begannen die Schwärme einzelne leichte Waves zu produzieren. Wie bereits erwartet, wuchs die Stärke der Waves proportional zur Größe und Schwere der Muttern. Tatsächlich rief unsere größte Mutter, die sogenannte „la ultima madre“ eine plötzlich sehr starke Reaktion hervor und unsere Hypothese konnte bestätigt werden.

Zur Überprüfung der dritten Hypothese bauten David und Korbi den sogenannten „Overflight“. Dieser besteht aus zwei Teilversuchen, wobei beim ersten Teilversuch ein Brett mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten an einer Angelschnur von einem Ufer zum anderen über den Fluss gezogen wurde. Das Brett simuliert dabei einen überfliegenden Angreifer, der einen Schatten auf das Wasser wirft. Bei Teilversuch zwei wird dieser Überflug mit dem Versuch zur zweiten Hypothese

kombiniert, indem gleichzeitig zum Überflug eine Mutter an einer Schnur in den Fluss befördert wird. Dieser Versuch soll sowohl einen Überflug als auch eine darauffolgende Attacke simulieren. Während beider Teilversuche wurden die Schwefelmollies mit einer Unterwasserkamera gefilmt. Während bei Teilversuch eins zu beobachten war, dass die Fische für kurze Zeit nur wenige Zentimeter untertauchen, war bei Teilversuch zwei zu erkennen, dass sich die Tauchtiefe der Fische wesentlich erhöhte. Damit sind die Schwefelmollies also in der Lage einen bloßen Überflug von einer tatsächlichen Attacke zu unterscheiden, was sich in der Reaktion hinsichtlich ihrer Tauchtiefe zeigt. Auch die letzte Hypothese wurde bestätigt. 

Neben den genannten Versuchen bestand ein großer Teil unserer Arbeit darin Vogelattacken auf die Schwärme zu beobachten, zu kommentieren und zu dokumentieren. Die Hauptobjekte unserer Beobachtungen waren dabei der Great Kiskadee und der Green/Amazon Kingfisher. Wir unterschieden auch hier zwischen Überflügen und Angriffen. 

Great Kiskadee
Kiskadee und durch ihn ausgelöstes Wave-Verhalten

Da wir mit unserer Arbeit nach ca. einer Woche gut in der Zeit lagen, war es uns möglich, uns einen Tag von unserer Arbeit frei zu nehmen. Wir zwei fuhren mit Jens Krause und David Bierbach zunächst nach Villa Luz, um in den „Cascadas de Aguascalientes Sulfurosas“, den dortigen Wasserfällen, baden zu gehen. Diese befanden sich in der Nähe eines breiten Flusses, den wir anschließend mit einem kleinen Boot überquerten. Auf der anderen Seite des Ufers konnten wir dann mit einer Zip-Leine über den Fluss schweben, was für uns beide definitiv ein Highlight war. 

Am gleichen Tag besichtigten wir außerdem zwei Fledermaushöhlen, wobei in einer von ihnen sogenannte Vampir-Fledermäuse lebten, die sich von Säugetieren ernähren, weshalb auf dem Boden Lachen aus verdautem Blut zu sehen waren.

Zum Abschluss des Tages fuhren wir in die schönste Stadt Tabascos, Tapijulapa. Dann war es auch schon Zeit nach Teapa zurückzukehren.
Am 30.05. war unser Aufenthalt in Teapa dann leider schon vorbei. Gezwungenermaßen packten wir unsere Koffer und machten uns auf den Weg zurück nach Villahermosa, wo wir die Nacht verbrachten. Am nächsten Tag ging es weiter nach Paris und von dort zurück nach Berlin, wo wir zwei uns nun leider vom Rest des Teams verabschieden mussten. Da es an dem Abend bereits spät war, schliefen wir in Berlin und fuhren am nächsten Tag mit dem Zug zurück nach Hause.

Wir möchten an dieser Stelle sagen, dass die Reise für uns beide ein unglaublich spannendes und lehrreiches Erlebnis war. Wir haben unzählige tolle Eindrücke gewonnen, sind in der Zeit sehr mit dem Team zusammengewachsen und hatten eine sehr besondere Zeit. Die Stimmung war immer super, wir hatten viel Spaß miteinander und dieses einzigartige Praktikum hat uns die Möglichkeit gegeben, zahlreiche wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Neben außergewöhnlichen Tieren, wie Krokodilen, Papageien, Affen, Vogelspinnen und Wasserschildkröten lernten wir in der Kleinstadt Teapa die mexikanische Kultur sowie zahlreiche herzliche Menschen kennen. Die Erfahrungen dieser Reise gehen definitiv weit über bloße wissenschaftliche Erfahrungen hinaus.
Aus diesem Grund möchten wir uns ganz herzlich bei unserem Team, insbesondere bei Jens Krause und David Bierbach bedanken, die immer auf unsere Bedürfnisse Rücksicht genommen und sich gut um uns gekümmert haben. Vielen Dank auch an die Stiftung der Auricher Wissenschaftstage, für die Ermöglichung dieses einzigartigen Erlebnisses.

Im Anschluss möchten wir euch noch einige weitere Bilder unserer Forschungsreise zur Verfügung stellen: