Praktikum am Institut für Neurowissenschaften und Medizin in Jülich
vom 1. bis zum 12. Oktober 2018
Von Anika Saathoff und Inken Schulte
Dank eines Stipendiums der Auricher Wissenschaftstage durften wir, Inken Schulte und Anika Saathoff, ein zweiwöchiges Praktikum im Forschungszentrum Jülich im Institut für Neurowissenschaften und Medizin absolvieren.
Nach der Erledigung von organisatorischen Aufgaben an unserem Anreisetag lernten wir am zweiten Tag die Mitarbeiter kennen, die uns durch das Praktikum begleiteten, darunter auch unsere Betreuerin Alexandra Drechsel. So begannen wir nach einer Sicherheitseinweisung mit dem Einfärben von Rattenhirnschnitten mit der Cresyl-Färbung. Dabei werden mit Cresyl die Zellkerne violett angefärbt. Dafür müssen die Gehirnschnitte zuerst zwei Stunden in einer Formalin-Lösung stehen, um dann in einer Reihe aufsteigend konzentrierter Alkohol-Lösungen entfärbt zu werden. Der Vorteil an diesem Verfahren ist, dass eine Korrektur der Färbung zu jedem Zeitpunkt möglich ist, da es sich um eine Überschuss-Färbung handelt. Danach deckelten wir die Schnitte ein, das heißt, sie wurden mit einem Deckgläschen auf dem Objektträger befestigt.
Im weiteren Verlauf des Tages lernten wir außerdem die Agarosegelelektrophorese und deren Auswertung unter dem UV-Licht kennen. Bei der Agarosegelelektrophorese werden die Nukleinsäure-Stränge der DNA nach ihrer Größe aufgetrennt, um die Sequenz zu bestimmen. Zunächst werden die DNA-Proben in kleinen Taschen auf das Gel aufgetragen. Der Vorgang der Trennung läuft dann mithilfe von Strom ab, sodass die negativen Phosphatgruppen, welche an DNA-Basen binden, zur Anode wandern. Je kleiner das Molekül ist, desto schneller wandert es durch das Gel. Zum Schluss durften wir bei der Vorbereitung für das Schneiden der Gehirnschnitte zuschauen. Die gefrorenen Gehirne werden solange durch Gefrierkleber auf einen Objekttisch fixiert, bis das Gehirn ganz mit Gefrierkleber umgeben ist. Der Gefrierkleber stört beim Schneiden des Gehirns nicht, weil er unsichtbar wird.
Am Donnerstag erhielten wir eine weitere Einweisung, dieses Mal zum Thema Radioaktivität. Anschließend betraten wir den Kontrollbereich, in dem mit radioaktiven Substanzen gearbeitet wird, um bei einer PET-Untersuchung von Mäusen zuzuschauen. Bei der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) werden Schnittbilder von einer lebenden Maus erzeugt, mit denen mit Hilfe eines vorher verabreichten radioaktiv markierten Stoffes Aussagen zu Stoffwechselvorgängen gemacht werden können. Die Untersuchung ist Teil des molekularen Neuroimaging, welches als Ziel die Entwicklung von hochspezifischen, neurochemischen Indikatoren für Hirnerkrankungen hat. Dadurch soll bei bisher noch nicht therapierbaren Krankheiten eine möglichst frühzeitige Diagnose ermöglicht werden. Dieses war sehr zeitaufwändig, allerdings musste die Untersuchung aus Zeitgründen und technischen Problemen abgebrochen werden. Die Untersuchung wurde am nächsten Tag wiederholt und lief dann reibungslos ab. Allerdings umfasste sie dieses Mal den ganzen Arbeitstag.
Am Montag starteten wir mit einer Teambesprechung, bei der wir Vorträge über neue Innovationen bei der PET-Untersuchung sowie über die Evaluation einer Studie zum Thema Schlafentzug hörten. Am Nachmittag erhielten wir von unserer Betreuerin eine Führung über den Campus des Forschungszentrums.
Dabei lernten wir die zehn verschiedenen Institute der Einrichtung kennen. Das Forschungszentrum Jülich hat einen eigenen Wetterturm und eine Klimakammer, die jedes Klima erzeugen kann und damit wichtig für die Forschung ist. Da das Forschungszentrum Jülich führend in der Kernkraftforschung war, hatte das Forschungszentrum einen eigenen Atomreaktor, der allerdings in Laufe der Jahre zurückgebaut wurde. Trotzdem wird der Sektor streng bewacht. Insgesamt gehört das Forschungszentrum Jülich damit zu den größten Forschungseinrichtungen Europas.
Am Dienstag durften wir wieder selbst praktisch arbeiten, indem wir Schnitte eines Rattengehirns mit einem Cryostaten anfertigten. Das ist ein Kühlgerät, in dem niedrige Temperaturen erreicht und konstant gehalten werden können. Darin ist eine Schneidevorrichtung integriert, die im Nanobereich arbeitet. Rattenhirne werden nach einer Lagerung von ca. zwei Tagen bei -80°C in 20 Mikrometer dünne Schnitte geschnitten. Das gefrorene Gehirn wird bei -15°C geschnitten, da es sonst auftaut und dann nicht mehr präpariert werden kann.
Um Schnitte eines Gehirns anzufertigen, gibt es drei Schnittebenen. Wir haben die koronare Schnittebene angewandt, dabei wird das Gehirn von vorne nach hinten geschnitten.
Weitere Möglichkeiten wären die sagittale oder horizontale Schnittebene. Bei der sagittalen wird das Gehirn von links nach rechts geschnitten, bei der horizontalen Schnittebene wird von unten nach oben geschnitten. Die einfachste und am häufigsten angewandte Schnittebene ist die von uns angewandte koronare Schnittebene.
Nach dem Schneiden wurden die Schnitte auf einen Objektträger übertragen und mithilfe einer Wärmeplatte fixiert, die eine Temperatur von 37°C hatte, um sie dann bei -80°C über längere Zeit zu lagern. Diese Tätigkeit schloss an die Vorbereitungen an, die wir eine Woche früher kennengelernt hatten. So konnten wir am Forschungszentrum den ganzen Prozess des Gehirnschneidens verfolgen. Da die monatliche Überprüfung der Not- und Augenduschen anstand, übernahmen wir diese am Nachmittag.
Am Mittwoch stand die Quartalsbesprechung der Arbeitsgruppe an, bei der über die laufenden und neuen Projekte informiert wurde. Die Arbeitsgruppe plant auch in der Zukunft Grundlagenforschung zu betreiben, damit z. B. die PET-Untersuchungen weiterhin in der Diagnostik angewandt werden können. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Untersuchung des Schlaf-Wach-Rhythmus des Menschen.
Danach besuchten wir den Fachbereich der Histologie, bei dem wir eine umfassende Führung erhielten. Dabei schauten wir uns verschiedene Cryostaten an und lernten eine weitere Möglichkeit kennen, ein Gehirn zu schneiden, bei der das menschliche Gehirn durch einen Paraffinblock fixiert wird. Paraffin ist ein wachsartiger Stoff, der seine Schmelztemperatur bei etwa 60°C erreicht, sodass ein Gehirn durch das flüssige Paraffin konserviert werden kann. Bis dahin braucht es etwa 80 Tage, da vorher langwierige Vorbereitungen nötig sind, wie zum Beispiel der Wasserentzug aus dem Gehirn. Das Gehirn kann in dieser Form entweder gelagert oder geschnitten werden. Zur Durchführung des Schneidens werden weitere drei bis vier Wochen benötigt, weil die Schnitte etwa 20 Mikrometer dick sind und zur Präparation des kompletten Gehirns etwa 1.000 Schnitte gemacht werden müssen.
Danach werden die Gehirnschnitte zur Weiterverarbeitung angefärbt. Hierbei gibt es vier mögliche Varianten. Die wohl einfachste Methode ist die Cresyl-Färbung, die wir selbst an unserem ersten Arbeitstag durchführen durften. Weitere Färbungen sind die Silbernitrat-Färbung, das „Three-dimensional Polarized Light Imaging“ (3D-PLI) und die Rezeptor-Autoradiographie. Die Besonderheit des 3D-PLI ist, dass bei diesem Verfahren die Nervenfasern und deren Verlauf dargestellt werden können.
Die eingefärbten Gehirnschnitte werden abschließend eingescannt, um ein 3D-Modell zu entwickeln. Als weitere Hilfe zur 3D-Darstellung wird eine Kamera beim Schneidevorgang verwendet, die als Orientierungshilfe in der Schnittebene dient.
An unserem letzten Tag im Labor, dem Donnerstag, durften wir vormittags die Sektion einer Ratte durchführen und am Nachmittag bekamen wir einen Einblick in die Fluoreszenzmikroskopie bei der Doktorandin Xuan He. Bei der Fluoreszenzmikroskopie wird ein fluoreszierender Farbstoff, wie DAPI oder GFP, auf eine Probe gegeben, der spezielle Bereiche einer Zelle markiert und unter dem Fluoreszenzmikroskop zu sehen ist. Dies wird durch die Verwendung von verschiedenen Lichtfiltern und Wellenlängen möglich. Zum Abschluss durften wir sogar unsere selbst gefärbten Hirnschnitte mitnehmen.
Während des Praktikums konnten wir wertvolle Einblicke in die Forschung gewinnen und uns ein eigenes Bild von der Grundlagenforschung machen. Deshalb erscheint uns der Beruf des Wissenschaftlers interessant, da die Arbeit abwechslungsreich und vielfältig ist. Im Forschungszentrum Jülich arbeiten Menschen mit verschiedensten Berufen in einer Einrichtung, sodass Mediziner mit Biologielaboranten an gemeinsamen Projekten arbeiten.
Überraschend war für uns die Tatsache, dass mit der wissenschaftlichen Arbeit auch viel Büroarbeit verbunden ist. Allerdings liegt ein besonderer Reiz darin, dass sowohl selbständig als auch im Team gearbeitet werden kann.
Abschließend danken wir den Auricher Wissenschaftstagen sehr, dass uns dieses Praktikum ermöglicht wurde, denn so konnten wir vielfältige Facetten im Bereich der Forschung kennenlernen.