Praktikum im Museum und Park Kalkriese
vom 1. bis zum 12. Oktober 2018
Von Kristina Saibel und Famke Wolters
Angekommen sind wir, Kristina Saibel und Famke Wolters, am Sonntagabend am Osnabrücker Hauptbahnhof. Doch da war der Weg noch nicht geschafft. Stattdessen mussten wir noch etwa eine halbe Stunde mit dem Bus raus aufs Land fahren. Das vorübergehende Ende unserer kleinen Reise war Venne. Der kleine Ort wurde für die nächsten zwei Wochen zu unserem neuen Zuhause, denn von dort war es lediglich ein Katzensprung zu unserem eigentlichen Ziel Kalkriese, wo wir ein Praktikum der Auricher Wissenschaftstage in dem „Museum und Park Kalkriese – Varusschlacht im Osnabrücker Land“ absolvieren durften. Vom 1. bis zum 12. Oktober 2018 haben wir unter der Anleitung unserer Betreuer, Marc Rappe und Ingo Petri, in die Arbeit von Archäologen und Museumspädagogen hineinschnuppern können.
Doch warum Kalkriese? Vermutlich war das Gebiet im Osnabrücker Land der Schauplatz der berühmten Varusschlacht, wo die „barbarischen“ Germanen die zivilisierten und gut ausgebildeten Römer in die Knie zwingen konnten und nach etwa drei Tagen Schlacht besiegten. Zwischen 15.000 und 20.000 Römer ließen 9 n. Chr., zusätzlich zu den germanischen Opfern, in der großen Schlacht ihr Leben.
Alle Indizien sprechen dafür, dass dies in Kalkriese vor über 2000 Jahren geschah.
Um die Indizien zu sammeln, zu deuten, zu einem Netz zusammenzusetzen und für andere zugänglich zu machen, wird ein Team aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen benötigt.
Im Zuge unseres Praktikums haben wir in den Fachbereichen der Archäologie und der Museumspädagogik Einblicke gewonnen.
Ein wesentlicher Teil unserer Arbeit während des Praktikums und im Bereich der Archäologie war die Prospektion, zu deutsch Feldbegehung. Da auf dem Gelände, auf dem die Varusschlacht stattgefunden haben soll, ca. 20 ha zu industriellen Zwecken versiegelt werden, wird davor ein letztes Mal der Boden mit Sonden abgelaufen, um (eventuell früher übersehene) Funde im Boden aufzuspüren.
Eines unserer Werkzeuge war die Sonde, d. h. ein Metalldetektor, mit dem wir oberirdisch gelaufen sind und nach Hinweisen auf Fundstücke gesucht haben. Sobald solch ein Signal aufgefangen wird, kommt Werkzeug Nummer 2 zum Einsatz: die Schaufel. Um uns die Arbeit etwas zur erleichtern, v. a. bei kleinen Funden, hatten wir zusätzlich einen Pinpointer. Im Prinzip ist das ein kleinerer, handlicher Detektor, mit dem man direkt und genauer die Erde durchsuchen kann, die bereits ausgehoben wurde.
Mit dem nötigen Quäntchen Glück konnte man, anstelle des Schrotts vom Schützenfest letzter Woche, ältere Münzen, Riemen, Ösen o. ä. finden. So bestanden die Funde während unserer zwei Praktikumswochen neben einem Berg an Schrott hauptsächlich aus Münzen der Neuzeit. Denn obwohl man oft etwas findet, ist der Anteil von römischen Funden relativ gering. Unsere Kollegen hatten dagegen etwas mehr Glück als wir. So wurden ein vergoldeter Ehering vermutlich aus dem Spätmittelalter und eine medaillengroße Silbermünze aus dem deutschen Kaiserreich gefunden.
Der zweite Aufgabenbereich, in den wir einen Einblick gewonnen haben, ist die Museumspädagogik. Das ist hauptsächlich die Vorbereitung und Umsetzung dessen, was im Museum den Besuchern nähergebracht werden soll. Denn von den 6.000–7.000 Funden, die in diesem Gebiet zu den Römern und Germanen gemacht wurden, können nicht alle in Schaukästen ausgestellt werden. Die Aufgabe der Museumspädagogik ist das angemessene Informations- und Mengenangebot im Museum sicherzustellen.
Begonnen haben wir natürlich damit, uns das Resultat der jahrelangen Arbeit anzusehen und an den Führungen teilzunehmen. Neben den normalen Museumsführungen für Einzelpersonen #und Familien werden thematische Gruppenprogramme angeboten, wie etwa „Ein Tag als Germane“ oder „Ein Tag als Legionär“. Interessant für uns, da es mit in unseren Aufgabenbereich fiel, war das „Grabungscamp und -büro“ – ein Angebot, das hauptsächlich von Unterstufengruppen genutzt wird.
Im Grabungscamp kann man die Arbeit eines Archäologen in seinen Grundzügen nachempfinden und in vorbereiteten Gruben graben. Dagegen können im Grabungsbüro Funde ausgewertet werden, so z. B. Münzen, Fibeln und Keramik sowie Grabungsschnitte, d. h. Querschnitte der ausgehobenen Böden, in denen man anhand der sich abzeichnenden Schichten von Erde und Sand zeitliche Abstände in etwa nachvollziehen kann.
Die Aufgaben, die wir in diesem Rahmen erfüllen sollten, waren das Vorbereiten von Kinderprogrammen (Arbeit an Schablonen, etc.) und die Vorbereitung eines Oberstufenschülerprogrammes. Das bedeutet, dass wir die Arbeitsblätter für Schüler mit unserem Vorwissen und unseren Erfahrungen erweitert und anspruchsvoller gestaltet haben. Dabei haben wir uns insbesondere auf das Thema Romanisierung konzentriert, welches in der Oberstufe behandelt wird.
Weshalb kamen die Römer überhaupt so weit in den Norden von Deutschland? Was wollten sie hier erreichen und wie wurden unsere Gebiete verwaltet? Das alles sind Fragen, die geschichtsbegeisterte Schüler schon im Unterricht behandelt haben und nun auch im praktischen Zusammenhang mit den Fundstücken rekonstruieren können. Außerdem haben wir einen ganz neuen Arbeitsbereich erstellt – einen, der sich mit Knochen beschäftigt. Dabei war es uns nach zunächst eigenständigem Bestimmen sowie Zusammensetzen der Knochen möglich, Aufgaben zu erarbeiten, die später Schüler im Programm lösen können.
Da die Museumspädagogik jedoch nicht nur theoretische Arbeit ist, haben wir uns auch körperlich betätigt und den Wall im Grabungsschnitt ausgebessert – laut der Gerüchteküche ist das eine Aufgabe, die besonders gerne Praktikanten erledigend dürfen. Der Grabungsschnitt wurde, nachdem alles Verwertbare aus ihm herausgeholt wurde, der Landschaft, in der die Schlacht stattgefunden hatte, im Miniaturformat nachempfunden.
An unserem vorletzten Tag hatten wir zusätzlich die Möglichkeit, an einer Tagung zu dem Thema „Konfliktlandschaften – Militärgeschichte im interdisziplinären Dialog“ teilzunehmen und unter anderem einem Vortrag unseres Betreuers Marc Rappe zu hören. Auch wenn uns am Ende der Kopf von den vielen Eindrücken rauchte, hatten wir so die wunderbare Chance bekommen, einen Eindruck von der Diskussion zu bekommen, in der sich Historiker und Archäologen dauerhaft befinden, um die Vergangenheit auf das Genaueste zu rekonstruieren.
In diesem Zusammenhang möchten wir uns noch einmal für die großartigen und lehrreichen zwei Wochen bedanken, die wir in unseren Herbstferien 2018 erleben durften. Dabei richtet sich unser Dank zum einen an die Auricher Wissenschaftstage, die uns als Vermittler zur Seite standen, und zum anderen an das „Museum und Park Kalkriese“.
In der Zeit, die wir auch liebend gerne verlängert hätten, wurde uns ein beeindruckender Einblick in die wissenschaftliche und schwere Arbeit ermöglicht, die hinter einem Museum steht. Entgegen den Mythen, dass Museen nur alt und verstaubt sind, haben wir hautnah miterleben können, wie spannend es ist, vor einem neuen Fund zu stehen, sich zu fragen, was dieser für ein Geheimnis in sich trägt, und dabei mitzuhelfen, ihm dieses vorsichtig zu entlocken. Ganz besonders danken möchten wir dem Team, das uns herzlich und freundschaftlich aufgenommen hat und die Zeit unseres Praktikums zu einem unvergesslichen Erlebnis mit beeindruckenden Erkenntnissen und vielen Anregungen für unsere eigene Zukunft geboten hat.