Werner Jürgens
Auftakt Auricher Wissenschaftstage / Klimaforscher berichtet von außergewöhnlicher Polarexpedition
Am Donnerstag fand in der Sparkassenarena der Auftakt zu den 33. Auricher Wissenschaftstagen statt. Angesichts der schweißtreibenden hochsommerlichen Temperaturen mag das Thema „Eingefroren am Nordpol“ auf den ersten Blick etwas deplatziert gewirkt haben, zumal der abgetrennte kleine Saal bis fast auf den letzten Platz gut gefüllt war. Beim Vortrag von Prof. Dr. Markus Rex, der Atmosphärenphysik an der Potsdamer Außenstelle des Alfred-Wegener-Instituts lehrt, wurde schnell klar, dass beides enger zusammenhängt, als es uns allen lieb sein dürfte.
„Keine andere Region der Erde hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so schnell erwärmt wie die Arktis“, betonte Prof. Dr. Markus Rex und konnte dies anhand diverser Studien belegen. Sie zeigen, dass sich die Region um den Nordpol tatsächlich ungefähr vier Mal schneller erwärmt als der globale Mittelwert und damit alle gängigen Klimavorhersagen längst überholt hat. „Dort befindet sich quasi das Epizentrum der globalen Erwärmung“, so der Klimaforscher. Als Folge geht das Eis immer weiter zurück, was auch Einfluss auf das Wettergeschehen in unseren Breitengraden hat. Der Jetstream, der die Temperaturunterschiede zwischen den Polen und dem Äquator ausgleicht, verliert an Dynamik, was dazu führt, dass extreme Wetterlagen wie Hitze oder Niederschläge länger „hängen“ bleiben und extremere Auswirkungen haben.
Prof. Dr. Markus Rex räumte in seinem Vortrag ein, dass die Erforschung des Nordpols noch viele offene Fragen aufwirft. „Vor allem im Winter ist uns die zentrale Arktis nahezu unbekannt“, erklärte der Wissenschaftler am Donnerstag. „Wir wollten daher erstmals umfassend die dortigen Prozesse im Klimageschehen erkunden.“
2019 machte er sich mit einem umfangreichen internationalen Team auf den Weg. Beteiligt waren insgesamt 450 Menschen von 90 Institutionen aus 20 verschiedenen Ländern. Transportiert wurden sie auf sieben Eisbrechern und Forschungsschiffen. Um in den unmittelbaren Polbereich vorzudringen, ließen sie sich auf einer Eisscholle treiben. Diesen „Eisdrift“ hatte schon der legendäre Polarforscher Fridtjof Nansen bei seiner Fram-Expedition vor 130 Jahren genutzt. Allein war sein Instrumentarium eher bescheiden. Es bestand im Wesentlichen aus einem Thermometer und ähnlichen einfachen Messgeräten. Das Equipment des Forschungsteams von Prof. Dr. Markus Rex war hingegen deutlich umfangreicher und zudem auf neuestem Stand der heutigen Technik.
Nichtsdestotrotz ist ein Vergleich der damals und heute ermittelten Daten durchaus aufschlussreich. Die aktuellen Messungen haben ergeben, dass die Temperaturen in den Wintermonaten fast konstant um 10 Grad Celsius höher lagen als während der Expedition von Fridtjof Nansen in den 1890er-Jahren. Abgesehen davon geht das Eis nicht nur in der Fläche zurück. Inzwischen ist es auch bloß noch halb so dick. „Man kann sagen, drei Viertel des Eises sind weg“, brachte es Prof. Dr. Markus Rex am Donnerstag kurz und knapp auf den Punkt. „Und im Sommer war ein weiträumiges Schmelzen zu beobachten. Wir haben gesehen, wie das Eis von einem auf den anderen Tag verschwindet.“ Das konnte der Wissenschaftlicher ebenfalls mit entsprechenden Fotos belegen. Letztlich müssen wir uns darauf einstellen, dass das „ewige Eis“ binnen der nächsten Jahrzehnte weiter schwinden und die Arktis irgendwann zumindest phasenweise während der Sommermonate eisfrei sein wird. Diese Entwicklung ist kurzfristig nicht aufzuhalten und wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Immerhin existiert ein Hoffnungsschimmer: Der Punkt, an dem sich gar kein Eis mehr bildet, lässt sich wohl noch abwen- den. Die Forschungsergebnisse zeigen nämlich auch, dass sich die Meereisbildung nach wie vor stabilisieren kann. Voraussetzung dafür wäre aber, dass die Erderwärmung gestoppt wird, und zwar möglichst bald, wie Prof. Dr. Markus Rex in seinem Vortrag abschließend ausdrücklich betonte.
Quelle: Ostfriesischer Kurier